Es klingt so einfach. Der Begriff Universalsukzession aus dem Erbrecht ist in zwei Sätzen erklärt: Jeder Verstorbene hat einen (oder mehrere) Gesamtnachfolger, den Erben. Auf diesen gehen mit dem Erbfall (§ 1922 BGB) sein Vermögen und seine Verpflichtungen als Ganzes über. Wenn es an das Erben und Vererben von digitalen Inhalten geht, stellt sich schnell heraus, dass es nicht ganz so einfach ist.


Mit dem Tod endet das Leben. Irgendetwas muss mit den Dingen passieren, die ein verstorbener Mensch hinterlässt. Irgendjemand muss sich darum kümmern. Vermieter wollen eine Wohnung weitervermieten. Gegenstände aus dem Besitz brauchen einen neuen Ort oder müssen entsorgt werden. Vielleicht ist auch das eine oder andere Erinnerungsstück dabei, das zwar materiell wertlos ist, aber einen hohen ideellen Wert für einen anderen Menschen hat. Wie beim materiellen Erbe vorzugehen ist, dafür gibt es klare Regeln. Wenn im Rahmen der sogenannten Gesamtrechtsnachfolge vom Digitalen gesprochen wird, dann scheint zunächst alles klar zu sein. Doch in der Praxis zeigt sich, dass es komplizierter ist.

Das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge

In Deutschland gilt im Erbfall das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge (sog. Universalsukzession). Bildlich gesprochen bedeutet es, dass der Erbe in die Schuhe des Erblassers schlüpft und zwar in beide Schuhe. Den rechten Schuh des Vermögens und der Rechte gibt es nur zusammen mit dem linken Schuh der Schulden und Verpflichtungen. In diesem Sinne ist das Erbe “universal”.

“Sukzession” meint, dass diese Rechte und Pflichten ohne einen besonderen Übertragungsakt auf den Erben übergehen. Es geschieht automatisch, der Erbe muss die Übertragung nicht beantragen. Allerdings hat er die Möglichkeit, das Erbe innerhalb der gesetzlichen Frist von sechs Wochen auszuschlagen. Wenn er gegenüber dem Nachlassgericht eine entsprechende Erklärung abgegeben hat, wird nach weiteren erbberechtigten Personen Ausschau gehalten. Findet sich da niemand, erbt der Staat.

Warum es im Digitalen komplizierter ist als im Analogen

Eindeutig sind die Aussagen der Juristen, was das Eigentum an Hardware angeht. Computer, Tablet, Smartphone, externe Festplatten oder USB-Sticks sind materiell und gehören wie andere Gegenstände auch zum Erbe. Wer also einen Computer erbt, erbt auch alle auf diesem Gerät gespeicherten Daten, da sie als Bestandteil des Gerätes oder Speichermediums angesehen werden. Aber schon, wenn man auf dem Rechner das E-Mail-Programm öffnet und auf den Button “Empfangen” klickt, mit dem noch nicht heruntergeladene E-Mails von einem Server abgeholt werden, verändert das die Sachlage. Hier diskutieren die Fachleute noch, ob eine E-Mail als zugestellt gilt, wenn sie auf dem Server eines Internetanbieters eingegangen ist, oder erst, wenn sie heruntergeladen wurde.

Nun könnte man sagen: ist doch egal. Wer wird schon den Aufwand einer Datenforensik betreiben, um herauszubekommen, ob eine E-Mail vor oder nach dem Tod des ursprünglichen Besitzers des Gerätes heruntergeladen wurde. Wer würde hier zum Kläger werden, wenn Angehörige sich möglicherweise unerlaubt die neu heruntergeladenen E-Mails anschauen. Doch so lange solche Fragen nicht eindeutig rechtlich geklärt sind, begibt sich jeder Berater auf dünnes Eis. Man will schließlich nicht in eine Richtung beraten, die sich irgendwann einmal als falsch heraustellen könnte. Leider ist die rechtliche Lage hier nicht eindeutig – weil digital eben nicht analog ist.

Nicht der PC-Dienstleister, der Angehörigen hilft, Zugang zu einem passwortgeschützten Rechner zu bekommen, dürfte auf den “Empfangen”-Button klicken, sondern müsste das den Angehörigen überlassen. Denn diese haben eindeutig Handlungsbedarf. Sie müssen den elektronischen Schriftverkehr einsehen, um wichtige Dinge regeln und um Freunde oder Geschäftspartner vom Tod benachrichtigen zu können. Denn Fakt ist: die wenigsten verwalten ihre Kontakte in einem papiernem Adressbuch. Das digitale Adressbuch liegt nicht ausgedruckt vor. Viele Verträge werden nicht in einem Aktenordner abgeheftet, sondern in digitaler Form abgespeichert. Aktuelle vertragliche Unterlagen finden sich in den E-Mails. Jede Regelung, die Angehörigen und den von ihnen beauftragten Dienstleistern verbieten würde, E-Mails herunterzuladen und zu sichten, wäre gelinde gesagt “weltfremd”.

Erbrecht contra Fernmeldegeheimnis

Für den Bereich des Digitalen gibt es in vielen Fällen noch keine höchtsrichterlichen Entscheidungen, die bindend wären oder auf die man sich berufen könnte. Innerhalb der Rechtswissenschaft wir noch diskutiert, ob der vermögensrechtliche und der nichtvermögensrechtliche Teil des digitalen Nachlasses unterschiedlich zu behandeln ist. Insbesondere streiten die Juristen darüber, ob das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge auch für die höchstpersönlichen Daten im digitalen Nachlass gelten soll oder nicht. Mittlerweile gehen die meisten davon aus, dass auch digitale Inhalte in der Regel vererblich sind, egal ob sie privater oder geschäftlicher Natur sind.

Allerdings stößt das Erbrecht hier auf das Telekommunikationsgesetz. Dort ist das Fernmeldegeheimnis festgeschrieben. Steht das Fernmeldegeheimnis dem Interesse der Erben auf Zugang zu den Daten eines Erblassers entgegen? In dem Verfahren, dass die Mutter einer tödlich verunglückten Jugendlichen gegen Facebook führt, hat das Kammergericht Berlin die Klage in zweiter Instanz abgewiesen. Geschützt werden hier die Gesprächspartner im Chat des Facebookprofil des verstorbenen Mädchens. In der nächsten Instanz wird der Bundesgerichtshof zu entscheiden haben, ob das Erbrecht oder das Fernmeldegeheimnis das höhere Gut darstellt.

Dabei macht es aus Sicht vieler Juristen und Nachlassverwalter keinen Sinn, einen Unterschied zwischen dem Schuhkarton mit Briefen im Keller und ankommenden elektronischen Nachrichten zu machen. Wer erbt, erbt auch die Briefe. Er erbt sogar die Briefe, die vom Versender abgeschickt wurden und in einem Postfach lagern oder nach dem Tod der Person im Briefkasten landen. Bei Briefen wird das Recht Dritter auf Schutz der Kommunikation anders beurteilt als bei E-Mails oder Chat-Nachrichten. Das Briefgeheimnis bezieht sich auf den Kommunikationsweg: wenn ein Brief angekommen ist endet das Briefgeheimnis.
Nach Ansicht mancher Juristen unterliegt eine angekommene Nachricht auf einer Plattform wie Facebook jedoch weiterhin dem Fernmeldegeheimnis, weil sie noch nicht als endgültig angekommen gilt. Deshalb darf Facebook sie tatsächlich nicht ohne die Einwilligung von Sender und Empfänger herausgeben.

Nun kommt wieder das Erbrecht ins Spiel: Wenn Facebook nach dem Erbrecht verpflichtet ist, die Daten herauszugeben, wäre der Zugang zum Profil möglich. Die Anbieter würden lediglich ihre vertraglichen Pflichten gegenüber den Erben erfüllen, wenn er E-Mails und andere Kommunikationsdaten ohne ausdrückliche Einwilligung an den Erben weitergibt. In dieser Spanne der Rechtsauffassungen wird derzeit in der rechtlichen Diskussion gestritten. Klarheit werden erst Urteile der oberen Bundesgerichte schaffen.

Die aktuellen rechtlichen Grundsätze (ohne Gewähr)

  • Daten auf eigenen elektronischen Geräten und Speichermedien des Erblassers (Smartphone, USB-Stick, Festplatte, CD-Rom, DVD etc.) gehen direkt in das Eigentum des Erben über.
    Wenn E-Mails noch nicht vom Server des Anbieters abgerufen sind, kann der Erbe den Zugang zum E-Mail-Account erhalten. Umstritten ist, ob der Anbieter den Zugang davon abhängig machen kann, dass der Erblasser zu Lebzeiten dazu ausdrücklich seine Einwilligung gegeben haben muss.

  • Bei Sozialen Netzwerken wie Facebook, Xing, Twitter, wird der Erbe zwar Vertragspartner. Umstritten ist aber, ob er vom Anbieter den Zugang zu den Inhalten verlangen kann. Aktuell hat jede der Plattformen ihren eigenen Richtlinien festgesetzt.

  • Hat der Verstorbene eine Webseite betrieben, wird der Erbe Inhaber der Domain und darf auf die Inhalte zugreifen. Auch das Urheberecht für veröffentlichte Inhalte geht auf ihn über. Allerdings haftet der Erbe auch, wenn durch die Inhalte der Webseite die Rechte Dritter verletzt werden.

  • Vertragliche Verpflichtungen aus einem Onlinekauf oder -verkauf gehen auf den Erben über. Er kann vom Widerrufsrecht innerhalb der gesetzlichen Regelungen gebraucht machen, wenn der Erblasser kurz vor seinem Tod noch in einem Online-Shop etwas bestellt hat.

  • Hat der Erblasser einen Vertrag mit einem Diensteanbieter zur Speicherung von Daten in einer Cloud, können diese vom Erben eingesehen und heruntergeladen werden, da das Vertragsverhältnis mit dem Diensteanbieter auf den Erben übergeht.

Es ist zu hoffen, dass Angehörige in Zukunft rechtlich eindeutig Zugriff auf Konten und Kommunikation von Verstorbenen erhalten, um vermögensrechtlich Verbindlichkeiten aus online geschlossenen Verträgen prüfen und regeln zu können.