An negativen Berichten herrscht kein Mangel. Das Weltwirtschaftsforum (WEF) befürchtet erhebliche Stellenverluste durch die Digitalisierung, fünf Millionen Jobs binnen fünf Jahren gingen verloren. Gravierende Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt werden prophezeit, wenn die Industrie anfängt großflächig intelligente Roboter einzusetzen. Verkaufspersonal wird durch Scanner-Kassen ersetzt, selbstfahrende Busse machen Busfahrer überflüssig. Solche Szenarien lösen Ängste aus. Die meisten Menschen wünschen sich eine Verbesserung der Lebensumstände und keine Verschlechterung. Ein sicherer Arbeitsplatz ist ein hohes Gut.


Lassen wir die Kirche im Dorf

Die Ängste und Sorgen der Menschen sind berechtigt, dass sich die bevorstehenden Veränderungen aufgrund von Digitalisierung, Computerisierung und Vernetzung über das Internet auf ihr Leben auswirken werden. Digitalisierung verändert unser Leben und Arbeiten. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass es nichts mehr zu tun gibt. Welche Vorteile bringt die Digitalisierung in der Praxis? Welche Zukunftsszenarien erscheinen für die Bestattungsbranche aktuell realistisch? Digitalisierung wird keine Arbeitsplätze vernichten, sehr wohl aber die Arbeit umgestalten.

Sind Szenarien vorstellbar, in denen autonom fahrende Bestattungsfahrzeuge Überführungen vornehmen? Schon möglich. Eine verstorbene Person automatisiert aus dem dritten Stock eines Wohnhauses ohne Aufzug oder aus dem Keller eines Krankenhauses in das Fahrzeug bringen ist dagegen kaum vorstellbar. Auf der anderen Seite wären intelligente Systeme, die helfen einen Sarg oder einen Leichnam zu bewegen, vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern willkommen. Das ständige Heben von Särgen geht enorm auf den Rücken, viele haben mit Rückenproblemen zu kämpfen. Gespräche mit Angehörigen führen, eine Trauerfeier einrichten und begleiten - hier ist der Faktor Mensch dagegen nicht zu ersetzen.

Digitalisierung in erster Linie Arbeitserleichterung

Die Herausforderungen der Digitalisierung betreffen in der Bestattungsbranche vor allem den Bereich der Büroarbeiten. Es gibt sie, die Bestatter, die allen digitalen Arbeitsweisen eine Absage erteilen. Die Begründungen sind ganz unterschiedlich. Manche befürchten, dass digitalisierte Arbeitsabläufe Mitarbeiterinnen die Arbeit abnimmt und sie ihnen in der Folge kündigen müssen. Viele hätten vermutlich auf dem Arbeitsmarkt nirgendwo anders mehr eine Chance. Oder es sprechen persönliche Gründe dagegen, weil es sich um die Schwägerin oder den Kollegen aus dem Verein handelt.

Die Sorge um die Mitarbeiterinnen in Ehren. Gerade in kleinen Betrieben, die vom Inhaber geführt werden, ist es ein hohes Gut, nicht die Gewinnoptimierung als Maxime zu nehmen, die keine Rücksichten auf die Menschen nimmt. Allerdings könnte sich hinter dem Argument, langjährige Mitarbeiterinnen nicht arbeitslos machen zu wollen, auch die Vorbehalte des Chefs verbergen, sich mit den digitalen Entwicklungen auseinander zu setzen. Man kann sich leicht von den digitalen Entwicklungen überfordert fühlen, besonders wenn man aus dem handwerklichen oder kaufmännischen Bereich kommt.

Auf der anderen Seite liegt eine große Chance in digitalen Prozessen. Klassischer Arbeitsablauf bei den Abmeldungen ist: eine Mitarbeiterin nimmt die Abmeldungen bei Rentenversicherung und Krankenkasse vor, indem sie Versicherungsnummern eintippt, ein Formular aus der Bestattersoftware ausdruckt, eintütet, frankiert und zur Post bringt. Bei Rückfragen durch die Angehörigen ruft sie den Datensatz auf und gibt Auskunft über den Stand der Dinge. Wie viel schneller und übersichtlicher ist es, wenn das Formalitätenportal genutzt wird. Kein Papier mehr, kein Porto, kein Weg zum Briefkasten. Die Angehörigen können sich mit eigenen Login-Daten selbst jederzeit über den Stand der Dinge informieren. Darüber hinaus entsteht ein zusätzlicher Nutzen für die Kunden, denn nicht nur die wenigen klassischen Abmeldungen können über das System abgewickelt werden, sondern so gut wie jede Abmeldung. Die Angehörigen selbst tragen die Daten ein, es entsteht im Bestattungshaus keine zusätzliche Arbeit.

Digitalisierung verändert Arbeitsplätze

So langsam kommt die Bestattungsbranche in Bewegung. Digitale Arbeitsabläufe einzuführen vernichtet nicht automatisch Arbeitsplätze, so die Erfahrung. Die Büroarbeit wird effizienter und übersichtlicher. Der Kosten-Nutzen-Aufwand ist im Einzelfall gut abzuwägen, Servicequalität versus Datenschutz, Investition versus Finanzierung, Weiterbildung versus Beharren. Freiwerdende Arbeitskraft muss nicht zu Kündigungen führen, sondern kann in neuen Arbeitsfeldern die Leistungskraft des Unternehmens steigern. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen motiviert und mit den entsprechenden Weiterbildungen auf neue Tätigkeitsfelder vorbereitet werden.

Werden moderne digitale Serviceleistungen angeboten, geht es letztlich um ein ausgewogenes Verhältnis von Innovation, Flexibilität und sozialem Schutz für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mit der Digitalisierung können neue Kundengruppen erschlossen werden. Jüngere Generationen, deren Leben digital ausgerichtet ist, nehmen wahr, ob ein Bestattungshaus modern und innovativ unterwegs ist oder ein wenig altbacken wirkt. Sichere Arbeitsplätze entstehen, nicht indem man die digitalen Entwicklungen ablehnt, sondern indem man sie integriert.