Jeder, der ein Smartphone nutzt, kennt das Thema: Unsere Bewegungsfreiheit hat zwar zugenommen, doch frei vom ständigen Zwang erreichbar zu sein, sind wir nicht. Das gilt beruflich wie privat. Der komplette Service 24 Stunden an 7 Tagen der Woche - dieses Angebot stellt eine große Herausforderung für Bestatter dar. Gerade in kleineren Familienbetrieben bedeutet das, nie ohne das Smartphone aus dem Haus zu gehen. Nachts liegt das Gerät, das mit der ganzen Welt verbindet, immer neben dem Bett. Gesund ist das nicht. Spezielle Programme können helfen, den digitalen Stress abzubauen.


Smartphones machen abhängig, unproduktiv und unglücklich

Wissenschaftlich fundiert und sehr pointiert beschreibt der Informatik-Professor Alexander Markowetz den Umgang mit dem Smartphone. Mittels einer App hat er die Gewohnheiten von 60.000 Nutzern erfasst und kommt zu Ergebnissen, über die nachgedacht werden muss. Besitzer eines Smartphones nehmen das Gerät durchschnittlich 53 Mal pro Tag in die Hand, alle 18 Minuten unterbrechen sie dafür ihre eigentliche Tätigkeit, zweieinhalb Stunden am Tag schauen sie auf den kleinen Bildschirm. Arbeit am PC und Fernsehkonsum kommen noch hinzu. Bei vielen jungen Leuten trägt die Smartphone-Nutzung Kennzeichen einer Sucht. Man meint, nicht mehr ohne leben zu können.

Vor allem Messenger, Soziale Medien und Spiele fesseln die Aufmerksamkeit der Menschen. Die Angebote haben natürlich das Ziel, so viel Zeit und Aufmerksamkeit der Nutzer wie möglich zu erhalten. Unter dem Stichwort “digitaler Burnout” beschreibt Markowetz die Folgen der permanenten digitalen Aktivität für unsere Gesundheit, unsere Arbeit und unsere Gesellschaft. Sein Resümee: Smartphones machen abhängig, unproduktiv und unglücklich. Um aus der “antrainierten Aufmerksamkeitsstörung” herauszukommen sei es wichtig zu verstehen, warum Smartphones für uns so unwiderstehlich sind. Abhilfe sollen digitale Diäten schaffen.

Detox - was ist das?

Detox ist eine Abkürzung von engl. Detoxification. Ursprünglich bezeichnete es in der Alternativmedizin alle Maßnahmen, um mutmaßliche Giftstoffe und schädliche Stoffwechselprodukte aus dem Körper auszuscheiden. Daraus geworden ist ein neuer Gesundheitstrend: Getränkehersteller verkaufen Detox-Getränke für “Energie wie noch nie”, in hippen Locations werden Detoxpartys gefeiert, ganz ohne Alkohol und zuckerhaltige Getränke, Krankenkassen klären über körperreinigende Detox-Kuren auf. Das alles ist nicht wirklich neu, hat aber nun einen griffigen Namen gefunden.

Wie falsche Ernährung auch, kann eine permanente Nutzung des Smartphones krank machen. Wurde vor Jahren vor allem die Strahlenbelastung der Geräte verdächtigt, gesundheitliche Schäden zu verursachen, wird das Schadpotential heute viel weitergehender beschrieben. Die ständige Sorge etwas zu verpassen, lässt uns regelmäßig zum Smartphone greifen. Viele sind emotional abhängig von den Reaktionen der Freunde auf die geposteten Bilder und Beiträge. Eingehende Nachrichten lenken uns ständig ab, jedes Vibrieren oder Piepsen ist eine Versuchung und reißt uns aus der Konzentration auf die aktuelle Tätigkeit. Und wenn wir schon mal dabei sind, überfliegen wir noch kurz, ob es auf WhatsApp etwas Neues gibt. Da das fast immer der Fall ist, tippen wir noch schnell eine Antwort oder lesen die Eilmeldung über ein wichtiges Ereignis in der Welt. Bis wir uns besinnen und zu unserer eigentlichen Arbeit zurückkehren ist wertvolle Zeit verstrichen. Vor dem Schlafengehen checken wir noch schnell die Mails und morgens werden wir vom Smartphone geweckt. Egal ob Arbeitsmeeting oder Essengehen mit Freunden, immer liegt irgendein Smartphone auf dem Tisch. Unterwegs mit Bus oder Bahn starren fast alle um uns herum auf den kleinen Bildschirm.

Finden Sie diese Aufzählung übertrieben? Ein kleiner Selbsttest mit einer App wie Quality Time (Android), Menthal (Android), Offtime (Android, iPhone), oder RescueTime (Desktop-Browser) bringt Licht ins Dunkel. Diese Apps verraten wie viel Mal der Bildschirm entsperrt wurde, wie häufig und wie lange man welche App verwendet hat oder wie lange das Handy insgesamt benutzt wurde. Das Protokoll legt dann offen: Heutige Nutzung: 3h 10m / Bildschirm entsperrt: 130-mal. Meist ist das mehr Zeit als wir mit dem Partner und den eigenen Kindern verbringen oder in die Gesichter unserer Mitmenschen schauen. Der Ausdruck Digital Detox beschreibt griffig, um was es geht. Wir laufen Gefahr, durch den ständigen Medienkonsum unser Leben und unsere Beziehungen zu vergiften. Also brauchen wir eine digitale Entgiftung.

Erreichbarkeit ist für Bestatter unverzichtbar

Smartphone und Tablet sind zu hilfreich und wichtig für unsere Kommunikation geworden. Niemand wünscht sich die Zeiten zurück, als man nur kurz in der Garage war und einen wichtigen Anruf verpasste oder unterwegs vom nächsten Münztelefon aus seine Geschäfte erledigte. Es kann also nicht darum gehen, in digitaler Abstinenz zu leben. Um gesund zu bleiben, brauchen wir einen gesunden Umgang mit den digitalen Medien. Dazu gehört, nicht jeden persönlichen Augenblick mit einem Foto oder Video festhalten zu wollen und sich bewusst freie Zeiten zu gönnen.

Kein Ernährungsexperte wird raten, für eine gesunde Ernährung komplett auf Essen zu verzichten. Weniger essen, vor allem aber anders essen, kombiniert mit viel Bewegung ist die Empfehlung. Das gilt auch für unseren Medienkonsum. Leitfragen sind: Was tut mir gut, was nicht? Was will ich einschränken oder ganz weglassen? Was erleichtert mir die Arbeit und was bereichert mein Leben? Die Kunst wird sein, die Bewegungsfreiheit, die ein Smartphone bietet zu genießen und für ausreichend lange Zeiträume entspannt das Smartphone stummzuschalten.

Gesunde Umgangsformen mit dem Smartphone finden

Sechs Möglichkeiten, bewusster das Smartphone zu nutzen und digitalen Stress abzubauen:

  • Sagen Sie klar, wann Sie erreichbar sind

Oft herrscht im Bestattungshaus die Devise, rund um die Uhr und auch an Sonn- und Feiertagen erreichbar zu sein. Das bedeutet jedoch nicht, dass immer sofort einer am Telefon sein muss, wenn es klingelt. Ungeduld oder Unzufriedenheit bei den Kunden entsteht durch mangelnde Orientierung. Deshalb sind klare Ansagen auf dem Anrufbeantworter wichtig: Wann ist das Büro auf jeden Fall besetzt? Innerhalb welchen Zeitraumes kann der Kunde mit einem Rückruf rechnen? Welche Angaben benötigen Sie vom Anrufer? Bei welchem Anliegen kann der Kunde mit einem schnellen Rückruf rechnen (Sterbefall)? Für welche Fragen verweisen Sie auf Ihre Bürozeiten?

  • Bestimmen Sie selbst über die eigene Zeit

Machen Sie sich bewusst, wie viel Macht Sie den blinkenden und tönenden Anwendungen geben, wenn Sie auf alles reagieren. Schalten Sie Push-Nachrichten aus, stellen Sie das Gerät auf lautlos. Prüfen Sie in ihrem eigenen zeitlichen Rhythmus, ob es etwas gibt, auf das Sie zeitnah reagieren müssen. Schenken Sie ihre wertvolle Lebenszeit nicht den Messengern und Social Media Plattformen, Sie bekommen von denen auch nichts geschenkt.

  • Richten Sie unterbrechungsfreie Zeiten ein

Legen Sie den Rückwärtsgang ein und schaffen Sie sich analoge Freiräume. Unterbrechungsfreie Besprechungen im Team und Beratungsgespräche mit Kunden, ja selbst Bürotätigkeiten ohne Ablenkung mindern Stress. Nachts sollte das Smartphone nicht im Schlafzimmer sein, außer Sie sind mit der Rufbereitschaft dran. Vertrauen Sie Ihren Mitarbeitern, dass die Sache am Wochenende auch ohne Sie gut läuft. Kaufen Sie sich einen analogen Wecker, der nichts anderes kann, als wecken. So geraten Sie nicht in Versuchung, im Bett doch noch einmal schnell die E-Mails zu checken.

  • Machen Sie sich bewusst, wie oft und für was Sie das Smartphone in die Hand nehmen

Legen Sie sich eine App zu, die ihr Verhalten am Smartphone protokolliert. Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Veränderung.

  • Sprechen Sie mit anderen über Ihre Erreichbarkeit

Sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern, mit Ihrer Familie und Ihren Freunden, für welche Anliegen Sie zu welchen Zeiten offen sind. Vielen ist gar nicht bewusst, welchen Druck sie erzeugen, wenn sie zu jeder Tages- und Nachtzeit eine direkte Reaktion erwarten. Sie antworten nicht oder zeitversetzt auf die Statusmeldungen anderer? Wer darüber informiert ist, dass Sie nicht immer online sind, nimmt es nicht persönlich.

  • Richten Sie smartphonefreie Zeiten und Zonen ein

Niemand muss für teures Geld eine Digital-Detox-Kur in einem abgelegenen Hotel buchen, das garantiert keine Netzanbindung hat. Es reicht schon eine Verabredung am Arbeitsplatz, dass während der Bürozeiten nur eine Person ans Telefon geht, die die Anrufe filtert. Was ist so wichtig, dass ein anderer aus seiner Arbeit herausgerissen wird? Was kann auf einen Rückruf warten und wird notiert? Eine hilfreiche interne Regel ist, dass nicht nur während einer Trauerfeier, sondern auch in Besprechungen oder Kundengesprächen das Smartphone stummgeschaltet wird. Zuhause können Schlafzimmer und Esstisch zur smartphonefreien Zone erklärt werden. Schon bald werden Sie das Bedürfnis haben, diese Zonen auszuweiten.

Besonders für Bestatter in Familienbetrieben mit wenigen Mitarbeitern ist es eine große Herausforderung, den Gebrauch des wirklich hilfreichen Smartphones so zu regulieren, dass es nicht krank macht. Das Krankheitsbild lautet: Stress bis hin zum Burnout durch digitalen Overload. Wem es schwer fällt, seine Gewohnheiten zu verändern, der findet vielleicht einen Einstieg mit Hilfe eines Offline-Camps. Die Angebote schießen wie Pilze aus dem Boden: Motorradtouren, Wandern, Meditieren, Kanufahren ohne Smartphone. Hier halten sich alle an die Regeln. Man kann wieder erfahren, wie wohltuend ein Gespräch ist, wenn niemand nach dem Smartphone schielt.