Der britische Physiker und Informatiker Tim Berners-Lee gilt als Erfinder des World Wide Web. Was ursprünglich als ein System gedacht war, mit dem Wissenschaftler Informationen austauschen können, durchdringt heute alle Lebensbereiche: das Internet.


Das Web muss offen und zulassungsfrei sein

Am Anfang der Entwicklung des Internets, wie wir es heute kennen, steht eine Entscheidung. Berner-Lee meldete keine Patente an und legte fest, dass es weder eine zentrale Steuerung noch eine Zulassung geben wird. Die Vision von Berners-Leer: Das World Wide Web ermöglicht es, die Welt zu vernetzen. Es überwindet die Ländergrenzen. Der Wert für die Menschheit besteht darin, alles nachschlagen und sich ausdrücken zu können. Das Web ist die vernetzte Menschheit. Ein Erfolgsfaktor war: es ist kostenlos.

Die E-Mail gab es schon. Sie diente der Kommunikation. Berners-Lee seinem Arbeitgeber CERN ein Projekt vor, das auf dem Prinzip des Hypertexts beruhte. Seine Frage lautete: “Was wäre, wenn man sämtliche weltweit auf Computern gespeicherte Informationen miteinander vernetzen würde.” Es sollte dem Austausch von Informationen zwischen Wissenschaftlern vereinfachen. Schnell war klar, dass das System nicht nur für Wissenschaftler interessant ist, sondern für jeden Menschen und jede Art von Information.

Die Strukturierung elektronischer Dokumente mittels HTML, das Transferprotokoll HTTP und die Internetadressen waren die zentralen Grundlagen. Ein Hyperlink kann überallhin verweisen. So entstand der erste Webserver der Welt. Das Web als ein Ort, an dem man die Welt im Geist internationaler Zusammenarbeit vorwärtsbringen kann. Optimistisch schaute er auf seine Erfindung.

Das Web weben

Im März 1989 schlug er bei seinem Arbeitgeber, dem europäischen Kernforschungszentrume CERN das Prinzip des "Hypertexts" vor. Im November 1990 stellte er es mit Robert Cailliau der Öffentlichkeit vor. Im Dezember 1990 war die erste Website der Welt unter der Adresse www.info.cern.ch online. 1999 erschien das Buch “WEAVING THE WEB. The Original Design and Ultimate Destiny of the World Wide Web”.

Der Titel der deutschen Übersetzung “Der Web-Report. Der Schöpfer des World Wide Web über das grenzenlose Potential des Internets” gibt nur unzulänglich wieder, worum es dem Autor ging. Berners-Lee beschreibt in seinem Buch, welche Prinzipien seiner Entwicklung von HTML, HTTP und URL zugrunde liegen. Das ursprüngliche Design sollte es ermöglichen, das Web editieren zu können. Die Bereiche des Internets sollten eher eine Netzstruktur als eine hierarchische Baumstruktur haben. Er betont, dass Informatiker nicht nur eine technische, sondern auch eine moralische Verantwortung tragen.

Um zu sichern, dass das World Wide Web seinen universellen Charakter behält und sich nicht in verschiedene Teile – mit entweder kommerzieller oder akademischer Ausrichtung – aufspaltet, wurde das World Wide Web Consortium (kurz W3C) gegründet, ein Gremium zur Standardisierung der Techniken im World Wide Web. Als dessen Vorsitzender setzt sich Berners-Lee seit 1994 unermüdlich für das Entstehungsprinzip ein: die freie, durch keine politische oder wirtschaftliche Gewalt beschränkte Kommunikation.

Die World Wide Web Foundation gründete Berners_Lee 2009, um mit einer unabhängigen, internationalen Organisation das offene Web als öffentliches Gut und Grundrecht zu fördern. Für ein Web, auf das jeder zugreifen und es nutzen kann, um sein Leben zu verbessern.

Der Mann, der das Internet erfunden hat

In einem Interview erzählt Berners-Lee, dass bereits sein Elternhaus erfüllt war von Mathematik und Computern. Beide Eltern waren Mathematiker. Bereits als Kind baute er aus einem alten Fernseher einen Computer und lernte den Umgang mit Elektronik. Aus Transistoren wurden integrierte Schaltkreise, dann Mikroprozessoren. Er studierte in Oxford Physik, arbeitete als Softwareentwickler, war 1980 einige Monate beratender Ingenieur beim CERN, wohin er 1984 wieder zurückkehrte. Seit 1999 ist er Inhaber des 3Com-Founders-Lehrstuhls am Laboratory for Computer Science des Massachusetts Institute of Technology (MIT).

Zudem steht er dem World Wide Web Consortium vor, dem von ihm gegründeten offenen Forum für Unternehmen und Organisationen, das die weitere Entwicklung des WWW begleitet. Er wurde mit zahlreichen Auszeichnungen und Ehrendoktorwürden bedacht.
Die erste Webpräsenz, info.cern.ch erklärte, was das World Wide Web sein sollte, wie man an einen Webbrowser kommt und wie man einen Webserver aufsetzt.

Seine Innovationskraft beruht auf seiner Überzeugung: “Die Möglichkeiten eines Computers werden nur von der eigenen Vorstellungskraft beschränkt”. Berners-Lee gilt als Jahrhundertwissenschaftler, der technisches Verständnis in der Informatik mit visionärer Kraft verbindet und so eine Kommunikationsstruktur geschaffen hat, die heute aus dem Leben der Menschen und den wirtschaftlichen Entwicklungen nicht mehr weg zu denken ist.

Der Vertrag für das Web

Das Web entwickelte sich nicht so ganz wie im Sinne des Erfinders. Die Dominanz von Anbietern wie Google, Facebook, Amazon oder Netflix beruht auf der Bildung von Datensilos, in denen Daten gesammelt und der Zugang streng kontrolliert wird.
Neue Themen sind hinzugekommen: Netzneutralität, Künstliche Intelligenz, vernetzte intelligente Systeme im Internet der Dinge.

Berners-Lee begleitet diese Entwicklungen mit kritischem Blick und positiver Grundeinstellung. Die Netzneutralität muss gewahrt werden und Suchmaschinen sollen neutral sein. Stand am Anfang die Frage, wie Menschen miteinander kommunizieren, ist heute die Frage wie Maschinen miteinander kommunizieren dazu gekommen. Berners-Lee spricht von einem Netz, in dem Menschen und Maschinen sich die Arbeit teilen.

Um den Nutzern die Kontrolle über die Daten zurückzugeben, arbeitet Tim Berners-Lee an einem Projekt namens Solid. Das Kürzel steht für Social Linked Data. Persönliche und soziale Daten wie Kontakte, Freundeslisten, Blogposts, Gesundheitsdaten oder auch Bankbewegungen sollen in verschiedenen Containern gespeichert werden, so genannten Pods. Der Zugriff wird dem genutzten Anbieter gewährt, kann aber problemlos wieder entzogen und einem anderen Anbieter übertragen werden.

Zum 30. Geburtstag des World Wide Web macht startete Tim Berners-Lee eine neue Bewegung. Der “Contract for the Web” ist eine Initiative der World Wide Web Foundation im November 2019, mit der versucht werden soll, Probleme wie politische Manipulationen, falsche Nachrichten, Datenschutzverletzungen und andere negative Kräfte im Internet anzugehen. Berners-Lee arbeitet weiter an dem Netz, das der gesamten Menschheit dient.


  • Digitale Persönlichkeiten: Unter diesem Stichwort stellen wir Ihnen in regelmäßigen Abständen Vorreiter der Digitalisierung vor. Bekannte Visionäre, deren Ideen richtig groß geworden sind und weniger bekannte VordenkerInnen, die unseren Umgang mit Computer oder Smartphone prägen.