Von der Natur inspiriert: Die Reerdigung ist eine besonders nachhaltige Bestattungsart, die das Unternehmen Circulum Vitae aus Berlin entwickelt hat. Aktuell handelt es sich dabei noch um ein Pilotprojekt, das bisher nur auf einem Friedhof in Mölln möglich ist. Doch der aktuelle Trend zu mehr Nachhaltigkeit in allen Bereichen lässt vermuten, dass sich die Reerdigung als alternative Bestattungsart durchsetzen könnte. Auch haben bereits andere Friedhöfe der Nordkirche Interesse und Bedarf angemeldet.

Aber wie läuft so eine Reerdigung eigentlich ab? Warum ist sie so nachhaltig? Und wie stehen religiöse Vertreter dazu? Wir geben Ihnen einen Einblick in diese neue Bestattungsart. Mit dabei: Ein Erfahrungsbericht von Bestattermeister Christoph Barck vom Möllner Bestattungshaus Dunkel & Sohn, der als Erster eine Reerdigung in Schleswig-Holstein durchgeführt hat.

Ablauf der Reerdigung

1. Einbettung
Die Einbettung bei der Reerdigung findet auf dem Friedhof statt. Der Verstorbene wird dabei auf einem Bett aus pflanzlichen Materialien wie Grünschnitt, Blumen und Stroh gelegt.

2. Der Kokon

Der Körper ruht auf dem Pflanzenbett in einem 2,5 m langen Kokon aus Edelstahl. In dem belüfteten Kokon herrschen optimale Bedingungen, sodass es zu keiner Geruchsbildung kommt. Der Kokon wird in eigenen Räumlichkeiten auf dem Friedhof aufbewahrt. In Mölln heißen diese Räumlichkeiten Alvarium.

3. Der Körper wird zu fruchtbarer Muttererde

In 40 Tagen verwandeln natürliche Mikroorganismen den Körper in bis zu 200 kg Humus, auf dem neues Leben gedeihen kann. Selbst Knochen und Zähne sind zu Erde geworden. Ganz ohne Würmer und Chemie.

4. Beisetzung der Erde

Die Erde wird noch verfeinert, damit sie schön weich ist. Anschließend wird die Erde in einem Grab auf einem Friedhof beigesetzt.

5. Neues Leben entsteht

Angehörige können die Erde nun nach ihren Vorstellungen bepflanzen und darauf neues Leben entstehen lassen.

Reerdigung – die wohl nachhaltigste Bestattungsmethode

Die Reerdigung hat die Natur zum Vorbild und wirkt im Vergleich zur Feuerbestattung lebensbejahend. Denn während bei der Feuerbestattung die Materie eines Menschen in Rauch aufgeht, entsteht bei der Reerdigung lebendiger Boden, auf dem etwas Neues wachsen kann.

Auch werden bei der Einäscherung CO₂-Abgase freigesetzt, bei der Reerdigung wird der Kohlenstoff, der von Natur aus in jedem Körper steckt, an die Erde zurückgegeben. So werden ca. 1 Tonne CO₂ pro Bestattung durch die Reerdigung eingespart und gleichzeitig der Boden mit noch mehr Nährstoffen angereicht. Und das ist gut fürs Klima und die Natur.

Bei der Reerdigung werden keine Zusatzstoffe und Chemie verwendet. Die Mikroorganismen erzeugen 70° Celsius und zerstören dadurch schädliche Krankheitserreger. So entsteht ganz saubere, ungefährliche Erde.

Zudem wird der Kokon aus Edelstahl wiederverwendet.

Ein Erfahrungsbericht zur Reerdigung von Bestattermeister Christoph Barck

„Unsere Kirchengemeinde in Mölln stand in Kontakt mit Meine Erde, dem Anbieter der Reerdigung. Sie brauchten noch einen Bestatter vor Ort, der die Reerdigung ausführt. Als modernes Bestattungshaus sind wir offen für neue Trends und waren gerne bereit mitzumachen.

Wir haben uns dann mit Pablo Metz, dem Mitinhaber von Meine Erde, getroffen, der uns alles Wichtige rund um die Reerdigung erklärt hat. Das hat uns gut gefallen.

Als dann eine Familie von weiter weg die Mutter in Mölln anonym bei uns bestatten lassen wollte, haben wir die Reerdigung als Alternative angeboten. Die Angehörigen waren sofort begeistert.

Mit einem Leihsarg haben wir vor der Reerdigung eine Trauerfeier arrangiert. Danach brachten wir die Verstorbene zum Friedhof in die speziell dafür eingerichteten Räumlichkeiten und betteten sie in den Kokon. Meine Erde machte die Reerdigung mit dem Substrat komplett.

Der Kokon steht in einer Holzwabe und ist nicht zu sehen. Angehörige haben hier 40 Tage lang Zugang.

Nach den 40 Tagen blieben ca. 100 kg Erde zurück, die wir dann in einem Leinentuch zur Grabstelle brachten. Als Bestattungsritual haben wir einen Teil der Erde in eine Urne gegeben und sie mit beigesetzt.

Generell würde ich sagen, ist die Reerdigung für umweltbewusste Menschen, oder für alle, die nicht verbrannt oder in einem Sarg beerdigt werden möchten, geeignet. Auch für Angehörige, die ein pflegefreies Grab wünschen und sich deshalb meist für die anonyme Bestattung entscheiden, ist die Reerdigung interessant. Denn die Beisetzung kann in jedem Erdgrab stattfinden, auch in einem Rasenreihengrab, eine Bepflanzung ist nicht notwendig.

Natürlich gibt es auch Nachteile der Reerdigung: Sie dauert lange, momentan ist die Verfügbarkeit noch sehr gering, und sie ist nicht 100% nachhaltig – da der Kokon wegen der entstehenden Gase einmal am Tag gewendet werden muss und auch die Überführung notwendig ist.

Die Kapazität auf dem Friedhof muss erst mal da sein. Darum bin ich noch etwas skeptisch. Aber das Ganze kann natürlich noch ein Trend werden – genau wie die Baumbestattung. Ich biete die Reerdigung jedenfalls weiterhin aktiv an. Demnächst soll ich dazu auch Infoflyer erhalten.“

Kein religiöser Konflikt bei der Reerdigung

„Aus der Erde sind wir genommen, zur Erde sollen wir wieder werden“ – die einzelnen Phasen der Reerdigung wurden achtsam mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Religionen und Weltanschauungen entwickelt. So wird die Reerdigung schon jetzt von zahlreichen Geistlichen unterstützt. In jeder Phase der Reerdigung wird sehr behutsam mit dem Verstorbenen umgegangen, sodass sie höchsten Pietätsansprüchen gerecht wird.

Wie bringen Sie die Reerdigung auch in Ihre Stadt?

Wenn Sie die Reerdigung in Ihrer Region anbieten möchten, schließen Sie zunächst einen Vertrag mit Meine Erde ab. Das Unternehmen sucht dann einen Friedhof im Ort, der die entsprechenden Räumlichkeiten schaffen würde. Ab der ersten Reerdigung wird dann eine Gebühr von momentan 100 Euro pro Jahr berechnet.