Den digitalen Nachlass eines verstorbenen Internetnutzers aufzulösen, führt die nichtsahnenden Angehörigen oft an ihre Grenzen. Das deutsche Erbrecht lässt sich nicht einfach auf die vielfältigen Internetkonten und die international sehr unterschiedlichen Vorgaben der Plattformbetreiber anwenden. Um konsequent die Interessen der Erben vertreten zu können, benötigen wir gesetzliche Regelungen, die den Angehörigen eine eindeutige rechtliche Position gegenüber Freemail-Anbietern und Sozialen Netzwerken verschaffen.
Die gesetzlichen Regelungen hinken den Herausforderungen durch den digitalen Nachlass hinterher
Was passiert mit einer Webseite, wenn der Seitenbetreiber verstirbt? Wer bekommt das Guthaben ausbezahlt, dass auf einem Konto beim Zahlungsanbieter PayPal liegt? Diese Fragestellungen sind aus erbrechtlicher Sicht unstrittig. Die Erben können den Vertrag mit dem Provider fortführen und die Domain übernehmen oder sie kündigen den Vertrag. Ein vorhandenes Guthaben überweist PayPal mit dem entsprechenden Erbnachweis auf das Konto der Erben.
Anders verhält es sich bei der Frage, ob die Erben auch Zugang zur online geführten Kommunikation per Chat oder E-Mail erhalten. Diese Frage wird seit Jahren kontrovers diskutiert. In der Praxis fehlen die gesetzlichen Regelungen. Darauf hat der Deutsche Anwaltsverein schon 2103 in einer Initiativstellungnahme (PDF, 437 KB) hingewiesen. Ebenso erachtet eine Bund-Länderarbeitsgruppe in ihrem [Abschlussbericht](https://www.justiz.nrw.de/JM/schwerpunkte/digitaler_neustart/zt_bericht_arbeitsgruppe/bericht_ag_dig_neustart.pdf (Mai 2017 / PDF, 2,7 MB) eine Klarstellung im Telekommunikationsgesetz für notwendig.
Im Januar dieses Jahres haben der Deutsche Anwaltverein (DAV) und der Deutsche Juristentag (djt) erneut nachgelegt. Auf einem gemeinsamen Symposion diskutierten Praktiker und Wissenschaftler über den aktuellen Rechtszustand. Das Ergebnis fasst DAV-Präsident Ulrich Schellenberg in der Pressemitteilung so zusammen: „In Deutschland muss der Gesetzgeber endlich Sicherheit schaffen und klarstellen, dass ein Provider den digitalen Nachlass an die Erben herausgeben darf“.
Analog und digital gleichstellen
Von politischer Seiter werden diese Forderungen nun aufgegriffen. Zu dem Thema befragt, fordert die Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) in Bild-Zeitung: „Wenn Nutzer sterben, muss es den Erben möglich sein, einen Zugang zu den Daten zu erhalten.“ Der Gesetzgeber müsse klar regeln, wie Erben an die Daten kommen. Auch Bayerns Justizminister Winfried Bausback (CSU) stellt fest: „Im Erbrecht 2.0 darf nichts anderes gelten, als in der analogen Welt“. Der Erbe müsse an die digitalen Daten genauso herankommen, wie etwa an die analoge Briefpost des Verstorbenen.
Gegner der Gleichbehandlung von analoger und digitaler Kommunikation verweisen gerne auf die Fülle intimer Informationen, die so über eine verstorbene Person oder gar deren Kommunikationspartner aufgefunden werden können. So würden die Angehörigen eines Verstorbenen möglicherweise auf gesendete Nacktbilder einer dritten Person Zugriff haben oder auf vertrauliche Mitteilungen.
Das war allerdings immer schon so. Ob analog oder digital, wenn ein solches Foto oder eine vertrauliche Information den Absender verlässt, fällt alles möglicherweise in die Hände einer dritten Person, die nicht der ursprüngliche Empfänger ist. Warum sollten für digitale Briefe und Fotos auf dem Smartphone oder in einem Online-Chat andere Regeln gelten als für Briefe und Fotos, die im Schuhkarton gesammelt wurden. Einzig der Aufbewahrungsort der Informationen unterscheidet sich.
Oder legt allein die Tatsache, dass mit dem Internet die Menge der gespeicherten und abrufbaren Informationen über eine Person stetig gewachsen ist, die geforderte unterschiedliche Handhabung analoger und digitaler Briefe nahe? Nutzer verlieren schnell den Überblick über die Menge und Speicherorte der Daten. Im Zweifelsfall wird heute alles gespeichert und nichts aussortiert und gelöscht. In Zukunft wird es kaum einen Menschen geben, über den auf digitalem Weg keine persönlichen Informationen aufzufinden sind. Vom gläsernen Menschen ist die Rede. Das gilt für die Toten genauso wie für die Lebenden.
Eine klare gesetzliche Regelung wäre für alle von Vorteil
Eine eindeutige gesetzliche Regelung würde die Verantwortung für digitale Inhalte beim Erblasser und dessen Kommunikationspartnern belassen. Wenn klar ist, dass im Zweifelsfall die Angehörigen Einblick bekommen, sind sie selbst dafür verantwortlich, die Kommunikation zu schützen, die auch nach dem Tod vertraulich bleiben soll. Wer etwas elektronisch verschickt, gibt immer die Kontrolle aus der Hand. Mit einigen Maßnahmen, kann jedoch das Risiko minimiert werden. Der Erblasser kann Dateien verschlüsseln oder sie auf eine Weise speichern, dass sie im Todesfall durch einen Nachlassverwalter unbesehen gelöscht werden. Jeder kann seine Kommunikationspartner bitten, ebenso zu verfahren. Ob der sich daran hält, das entzieht sich wiederum der Kontrolle.
Auch die Erben würden von der rechtlichen Klarheit profitieren. Langatmige Auseinandersetzungen mit den Plattformbetreibern könnten vermieden werden. Nicht zuletzt würden auch alle Dienstleister rund um den digitalen Nachlass eine eindeutige Handlungsgrundlage erhalten. Wir von Columba vertreten seit Beginn der Diskussionen in erster Linie die Interessen der Erben. Diese sind es, die am meisten unter der rechtlichen Unklarheit zu leiden haben. Der Schutz der Verbraucher sollte im Dschungel der Onlinewelt die oberste Priorität haben.