Regelmässig berichten die Medien von Themen rings um Tod und Trauer. Seit es das Internet gibt, mehren sich die Artikel zum digitalen Nachlass. Meist beginnen sie mit einer Aufzählung: Smartphone-PIN, Zugang zu Streamingdiensten, Onlineguthaben und Urlaubsbilder in der Cloud - all das kann im Falle des Todes für Angehörige oder Erben unerreichbar sein. Konkrete Fälle findet man selten. Wir sind den Spuren realer Geschichten nachgegangen.


Warum so wenig konkrete Fälle zu finden sind

Meldungen in den Medien folgen dem Aufmerksamkeitsprinzip. Wer "Skandal!" ruft, markiert seine Botschaft als unbedingt lesenswert. Die Geschichten rings um den digitalen Nachlass sind zwar für die Betroffenen persönlich bedeutsam, überschreiten aber in der Regel nicht die Schwelle von allgemeiner Relevanz, die den Ausschlag für eine breite Berichterstattung gibt. Eine Ausnahme stellt der Facebookstreit und das Urteil des Bundesgerichtshofs dar. Hier haben sich Eltern mit dem Internetgiganten Facebook angelegt und den Prozess bis in die höchste Instanz geführt.

Oft suchen Journalisten intensiv nach Protagonisten, also Menschen, die bereit sind mit Namen und Gesicht ihre Geschichte zu erzählen. Bereits die Kontaktaufnahme gestaltet sich schwierig. Es gibt eine berechtigte Scheu, mit dem Anliegen einer Berichterstattung trauernde Menschen anzusprechen. Und wer erzählt schon gerne in der Öffentlichkeit, wie sehr ihn diverse Onlineaktivitäten des verstorbenen Partners überrascht haben. Angehörige, die den digitalen Nachlass ohne Probleme auflösen konnten, sind für die Medien nicht interessant. Selbst die gut recherchierten Filmbeiträge sind nur für kurze Zeit in den Mediatheken aufrufbar.

Der fehlende Zugang zu E-Mails ist eines der häufigsten Probleme

In einem Gespräch mit dem Deutschlandfunk berichtet die Tochter des Komponisten Rolf Alexander Wilhelm von ihren Erfahrungen mit einem Webmailanbieter. Ihr Vater pflegte über ein Webmailkonto seine Kontakte. Nachdem er gestorben war, waren eines Tages keine E-Mails mehr vorhanden. Catharina Wilhelm erfuhr, dass nach sechs Monaten Inaktivität automatisch alle Mails gelöscht werden. Der wertvolle Nachlass Ihres Vaters war verloren.

Ein weiterer Erfahrungsbericht findet sich in einem Kommentar zu einem Blogbeitrag zum Thema digitaler Nachlass. Angehörige beschreiben, wie verärgert sie über den Umgang mit dem Arbeitgeber eines Mannes waren, der das E-Mail-Konto des Verstorbenen einfach platt machte Die waren dort "nicht in der Lage, sich mit uns in Verbindung zu setzen und uns einen Zugang zu geben (...) und damit "komplett die Möglichkeit genommen, einen Überblick über bestimmte nur dort eingehende Rechnungen zu erhalten, Freunde und Bekannte zu benachrichtigen.”

Einer der ersten Fälle aus dem Jahr 2005, stammt aus den USA. Die Familie des Soldaten Justin Ellsworth, der im Irak durch eine Bombe am Straßenrand getötet wurde, klagte gegen Yahoo, um Zugang zu dessen E-Mails zu bekommen. Das Unternehmen wurde gerichtlich dazu verpflichtet, die Inhalte des E-Mail-Kontos an den Vater weiterzugeben. Trotz des Gerichtsurteils hat Yahoo seine Politik nicht geändert. Aktuell fordert es die Anordnung eines irischen Gerichts zur Offenlegung der Account-Inhalte.

Foren sind keine gute Hilfe

Sichtbar werden die Problemen von Angehörigen mit dem digitalen Nachlass auch in Foren. In den Hilfebereichen und Gesprächsgruppen suchen Betroffene oft Hilfe, wenn sie allein nicht mehr weiterkommen. Doch hier ist Vorsicht geboten. Niemand kennt sich dort wirklich mit der Materie aus. Neben hilfreichen Verlinkungen auf Seiten mit den notwendigen Informationen, trifft man auf Nichtwissen, Halbwissen, Vermutungen oder sogar falsche Aussagen. Auf Hinweise aus einem Forum sollte man sich deshalb nicht verlassen. Die Antworten anderer sind nur bedingt hilfreich und verwirren oft zusätzlich, statt Klarheit zu bringen.

Zwei Beispiele für solche Diskussionen: 1. Gefunden in einem Forum der Computerzeitschrift Chip. Der Nutzer mit den Adminrechten eines gemeinsam genutzten PCs ist gestorben. Er hat das Zugangspasswort mit ins Grab genommen. 2. Im Hilfebereich eines Forum-Hosters bittet eine Co-Administratorin um Hilfe. Der Administrator eines Forums ist gestorben. Die Co-Administratorin möchte den Todesfall melden und fragt, wie es weitergeht:

Apple weigert sich Fotos auf einem iPhone zugänglich zu machen

In einem anderen Fall wandte sich ein Vater an das Technologieunternehmen Apple. Sein Anliegen war, an die Fotos heranzukommen, die sein verstorbener 13jähriger Sohn in seinen letzten Lebensmonaten mit dem iPhone gemacht hatte. Mit seinem Fingerabdruck konnte er das iPhone nicht mehr entsperren, die PIN Eingabe war nach mehreren Fehlversuchen gesperrt. Laut Bericht der Welt am Sonntag gab Apple gab, es zunächst versucht zu haben und schloss mit der Mitteilung, es nicht zu können. In diesem Zusammenhang steht das Ansinnen des FBI, im Zuge seiner Terrorermittlungen Zugang zu dem iPhone eines Attentäters zu erhalten. Apples Vorstandschef Tim Cook verweigerte den Zugang mit dem Hinweis, er wolle keine Hintertür öffnen, weil man damit die Sicherheit für alle Nutzer senke. In beiden Fällen bestimmte das Unternehmen die Regeln, und die sehen keinerlei Ausnahmen vor. Nach monatelangem Kampf mit Apple fandder betroffene Vater einen Computerexperten, der es in wenigen Stunden schaffte, die Fotos seines Sohnes zu sichern.

Manchmal geht es um richtig viel Geld

Aufsehen erregte der Fall Matthew Mellon. Wie das Medienportal base58 berichtet, hatte der Milliardär mit Kryptowährungen viel Geld verdient. Das Wirtschaftsmagazin Forbes berichtete, dass Mellon im Umgang mit seinem Kryptovermögen extrem vorsichtig war. Die privaten Schlüssel für mehrere Wallets, eine Art digitale Geldbörse, speicherte er auf Speicherkarten, die unter falschem Namen in Bankschließfächern in den USA verteilt liegen sollen. Im April 2018 verstarb Matthew Mellon. Die Familie kennt offenbar die diese Orte nicht. Die Krypto-Millionen sind für sie verloren, sollte sie keinen Weg finden, an die privaten Schlüssel zu gelangen.

Diese Geschichten sind nur die Spitze eines Eisberges. In der Regel bleiben die Angehörigen mit ihren Fragen und Nöten rings um den digitalen Nachlass unterhalb der Schwelle öffentlicher Sichtbarkeit. Wer unser Formalitätenportal nutzt, findet einen Einstieg in die Klärung von Onlinekonten eines verstorbenen Angehörigen. An den Regeln, die die internationalen Onlinekonzerne setzen, kommen auch wir nicht vorbei. An Grenzen stoßen Angehörige ebenfalls, wenn kleine Plattformen keine Regelungen getroffen haben oder niemand auf eine Anfrage reagiert. Doch wenn Angehörige einen Überblick über die Onlineaktivitäten eines Verstorbenen erhalten, einfache Löschungen schnell und unkompliziert vornehmen können und wissen, wo sie bei den umfangreicheren Kontenklärungen ansetzen können, dann ist der erste wichtige Schritt getan.