Das Corona-Virus löst Ängste aus. Solange es keinen Impfstoff gibt, bleibt es unberechenbar. Der Tod lauert im Hintergrund und kommt den Menschen bedrohlich nah. Eine Möglichkeit mit der Bedrohung umzugehen ist, über den Tod zu lachen. Corona hat das Funeral Dance Mem hervorgebracht.


Die Videoclips machen gerade die Runde. Sicher hat auch jede Bestatterin, jeder Bestatter irgendwann eine Nachricht im Postfach: "Du, schau mal hier". Momentan kann man davon ausgehen, dass eine der inzwischen unüberschaubaren Anzahl von Versionen des "Funeral Dance"/ "Coffin Dance" Videos verlinkt wurde. Zeit also, sich mit dem Phänomen dieser Videos bekannt zu machen. Sie gehen gerade viral und verbreiten sich wie das Corona-Virus weltweit.

Das Funeral Dance Mem

Meist kommen die Videos bereits als kreative Ausgestaltung daher. Die Ursprünge liegen in einer Aufnahmen von tanzenden Sargträgern in einer Dokumentation des Senders BBC und dem elektronischen Song „Astronomia“. Beide wurden kombiniert und regen seit Ende März hunderte von Menschen an, die Vorlagen aufzunehmen und in einen neuen Kontext zu stellen. Das Niveau der Adaptionen unterscheidet sich beträchtlich: Lächelnd, lachend, lachhaft.

Neue Gattungen des Funeral Dance Mem entstehen. Die Entwicklung startet mit der Kombination von Video und dem Song „Astronomia“.

Die einen adaptieren den Song durch alle Musikgattungen hindurch: Orchester, Rap, Metal und andere. Hier als Beispiel: mittelalterlich

Oder das Lied wird länderspezifisch interpretiert. Wie würde der Coffin Dance sein, wenn er in anderen Ländern der Welt kreiert worden wäre? Argentinien, Italien oder Brasilien? Wie würde er klingen?

Eine dritte Kategorie bilden die Kollagen aus Filmschnipsel mit gefährlichen Situationen oder menschlichen Mißgeschicken, die mit Ausschnitten aus dem Dance Video, hinterlegt mit der Musik zusammengeschnitten sind.

Wie das Funeral Dance Mem entstanden ist

Das Video

Sieben Männer tanzen mit einem Sarg. Der Sender BBC berichtete bereits 2017 von einer Beerdigung mit den tanzenden Sargträgern, allerdings mit traditioneller Live-Musik. In Ghana verabschieden sich die Menschen mit einem mehrtägigen Fest, farbenfroh, mit vielen Gästen und bewegter Musik. Die Sargträger fragen die Kunden, ob sie es feierlich, mit einer kleinen Vorführung oder mit Choreographie wollen. „Ghana’s dancing pallbearers“ tanzen im Auftrag.

Für Einheimische ist das normal, für europäischen Augen und Ohren ein Spektakel. Diese unterschiedliche Wahrnehmung führt dazu, dass die tanzenden Sargträger eine solche Wirkung erzeugen.

Die Musik

Das Video wurde mit dem elektronischen Song „Astronomia“ von den Musikern Vicetone & Tony Igy hinterlegt. Den Song gibt es seit 2010, auf YouTube erscheint er 2014. Anfang April bedanken sich die Musiker bei der Community: “Alle diese Meme, wir danken Euch, dass Ihr unsere Musik und dieses Lied schon so lange unterstützt.”

Warum wird von einem Mem gesprochen?

Was ist damit gemeint? In der Mem-Theorie bezeichnen Meme (Einzahl Mem)  einzelne Bewusstseinsinhalte. Sie können durch Kommunikation weitergegeben werden, sich so vervielfältigen und gesellschaftlich wirken, analog der Weitergabe von genetischen Informationen durch die Gene auf biologischem Weg.

Seit der Jahrtausendwende wird der Begriff auch für Botschaften und Inhalte verwendet, die sich in sozialen Medien „viral“ verbreiten. Salopp gesagt gelten Insiderwitze unter Internetnutzern als Mem. Irgendein Video-/Text-Schnipsel, das den Webuser zum Lachen bringt.

Etwas ernsthafter bleibt der Wissenschaftlers Mihály Csíkszentmihályi, nach dessen Ansicht ein Mem kreiert wird, „wenn das menschliche Nervensystem auf eine Erfahrung reagiert“. Das passt zumindest zur auffälligen Zeitgleichheit von der Entstehung des Funeral Dance Mem mit Corona und der Erfahrung von Bedrohung durch das Virus.

Corona ist in den Kommentaren allgegenwärtig

Seit Anfang April verbreiten sich die Clips in rasanter Geschwindigkeit. Millionenfach werden die Videos aufgerufen, hunderttausendfach kommentiert.

“Wenn die Pandemie vorbei ist. Dies ist das letzte Lied für diejenigen, die überlebt haben.”
“Bleiben Sie bitte zu Hause. Unsere Trauerfeier ist nur dann möglich, wenn sich alle an die Regeln der Pandemie halten.  #Staysafe #StayatHome”

Die tödliche Bedrohung durch das Corona-Virus findet hier ein Ventil. Auf diese Weise setzen sich Menschen mit dem Tod auseinander, ohne ihn allzu nah an sich herankommen zu lassen. Manche geben das Mem in einer neuen Kreation weiter, andere kommentieren oder schauen sich die Clips nur an. Die Missgeschicke passieren immer nur den anderen, ich kann darüber lachen. Die Bilder der tanzenden Sargträger verbinden sich mit der Musik, ich kann mich darüber amüsieren. Corona ist dann gar nicht mehr so schlimm.