Die Bestattungsbranche setzt auf Tradition. Unternehmen werben mit der langjährigen Erfahrung um das Vertrauen der Kunden. Internetunternehmen sind die treibende Kraft in digitalen Umbruchzeiten. Sie schauen oft in neuer Weise auf ihre Kunden. Was Traditionsunternehmen von Digitalunternehmen über die konsequente Ausrichtung auf Kundenbedürfnisse lernen können.
Warum Amazon so erfolgreich ist
Schnell groß und innovativ werden. „Get big fast!“ war von Anfang an das Credo von Amazon. Eine Plattform zu schaffen, auf der jeder Mensch jedes physische Produkt kaufen kann, war das erklärte Ziel. Inzwischen liegt der Umsatz von Amazon laut Schätzungen bei 27% des Gesamtumsatzes des Onlinehandels in Deutschland.
Die Grundidee war nicht neu. Bereits im 19. Jahrhundert entstanden die ersten Kaufhäuser mit für damalige Verhältnisse riesigen Verkaufsflächen. Schon damals hatten die Einzelhändler keinen Erfolg bei dem Versuch, diese Entwicklung zu stoppen.
Amazon hat den Handel neu definiert. Nicht die Absichtserklärung machte das Unternehmen so erfolgreich, sondern die konsequente Ausrichtung auf den Kunden. Mit dem Ansatz „Customer First“ wurde Amazon zu dem was es heute ist. Bequemer geht Einkaufen nicht. Der Vorteilsclub Amazon-Prime bindet die Kunden fester als jedes Rabattheftchen es je könnte.
“Customer” sind bei Amazon nicht nur die Endkunden, sondern auch die Händler, die auf dem Amazon-Marketplace ihre Waren in einem für sie optimierten Verkaufssystem anbieten. „Welchen Mehrwert bringt es für den Kunden?“ Bei Amazon wird jeder neue Service und jede Veränderung mit dieser Frage auf Herz und Nieren geprüft.
Zunächst: was Kundenzentrierung nicht ist
Viele Unternehmen denken nicht konsequent vom Kunden her. Das liegt auch daran, dass sie eine falsche Vorstellung davon haben, was Kundenzentrierung wirklich bedeutet. Die klassischen Fehldeutungen:
- Wenn es zentral um den Kunden geht, müsse das Unternehmen zurückstecken. Der Kunde sei dann wichtiger als das Wohlergehen des Unternehmens.
- Es gehe darum, möglichst flexibel auf jedes von Kunden geäußerte Bedürfnis zu reagieren.
- Wenn der Kunde im Mittelpunkt steht, stelle das die eigene Kompetenz in Frage. Ideen der Kunden müssten umgesetzt werden, ob man als erfahrener Bestatter die Idee sinnvoll oder hilfreich findet oder nicht.
Warum das Bild vom Kunden als König nichts taugt
Leider hält sich das Bild vom Kunden als König hartnäckig, wenn es darum geht, vom Kunden her zu denken. Dabei verhindert diese Bild gerade, die wirkliche Bedeutung von kundenzentriertem Handeln zu verstehen. Zum König gehört ein Untertan, der umsetzen muss, was der König sagt.
Bei der Kundenzentrierung - richtig verstanden - wird nicht zur Handlungsmaxime, was ein einzelner Kunde äußert. Der eine sagt dies, der andere etwas anderes. Das Unternehmen gerät auf Schlingerkurs, wenn es unternehmerisch nach den Wünschen der Kunden navigiert.
Selbst wer sich vom Bild des Kunden als König verabschiedet: Das Eingehen auf Kundenwünsche zeugt zwar von einer hohen Servicebereitschaft. Es ist eine positive Eigenschaft, flexibel auf Anliegen reagieren zu können. Den Kern der Kundenzentriertheit trifft ein flexibler Service nicht.
Services, die die Kunden begeistern
Kundenzentrierung bedeutet viel mehr. Es ist die Fähigkeit des Unternehmens, die Bedürfnisse der Kunden zu erfassen und vorwegzunehmen. Es kann sein, dass ein Kunde ein Bedürfnis äußert und damit den Anstoß dazu gibt, einen Service nicht nur für diesen einen Kunden anzubieten, sondern in der Folge auch für alle anderen Kunden. Doch um kundenzentriert zu arbeiten, muss der Kunde nicht von sich aus ein bestimmtes Bedürfnis äußern.
Das Unternehmen wagt den Blick aus der Vogelperspektive. Es nimmt die Veränderungen “der Großwetterlage” wahr, die Entwicklungen in der Bestattungsbranche insgesamt, den Wandel im Auftreten und Verhalten der Kunden. Gerade letzterer erfolgt nicht schlagartig, sondern nach und nach. Zunächst sind es vielleicht nur wenige, die entfernt lebende Familienangehörige per Onlinekonferenz zum Gespräch dazu holen. Doch diese wenigen deuten eine Richtung an, in der sich in unserer mobilen Gesellschaft die Beratungsgespräche entwickeln werden.
Genauso wichtig ist es, die Innenperspektive einzunehmen. Inzwischen gibt es zahlreiche Methoden, die dabei helfen können, sich ganz in den Kunden hineinversetzen zu können. Zwei Beispiele:
- Das Erstellen von Personas
Eine Persona (lat. Maske) ist ein typischer Vertreter einer Zielgruppe. Die fiktive Beschreibung einer repräsentativen Person enthält die Eigenschaften und das Nutzungsverhalten einer ganzen Kundengruppe. Die persönliche Merkmale sind die Basis. Personas haben Namen, Alter, Hobbys und Interessen, ein konkretes Lebensumfeld und einen beruflichen Hintergrund. Wenn es um Services mit digitalem Bezug geht, gehört auch die Beschreibung dazu, wie die Person digital ausgestattet und wie technikaffin sie ist. - Die Methode JBTB (Jobs-to-be-done)
Im Kern von Jobs-to-be-done steht die einfache Frage, warum der Kunde die Dienstleistung in Anspruch nimmt und was diese für ihn leistet. Daher kommt der Name der Methode. Clayton M. Christensen, Professor für Business Administration an der Harvard Business School, bringt es auf den Punkt: Die Kunden kaufen nicht einfach nur ein Produkt, sondern sie kaufen die Arbeit, die es für sie erledigt und die Lösung, die es für ein Problem bietet.
"Der Nutzer will das Loch! Nicht den Bohrer!" - betont Christensen. Analog kann der Bestatter sagen: “Der Kunde will Orientierung, Unterstützung und emotionalen Halt, in einer Situation, der er selten ausgesetzt ist! Nicht die Bestattung.”
Digitale Serviceangebote entscheiden über die Zukunft des Bestattungshauses
Nicht nur im Handel ist der Grundsatz „Customer First“ von Bedeutung. Bestattungsunternehmen profitieren davon, wenn sie ihre Arbeitsprozesse, Produkte und Services konsequent durch diesen Filter laufen lassen. Wer das “So haben wir es immer schon gemacht” hinter sich lässt, kann sich vom Wettbewerb differenzieren. „Customer First“ ist die Herausforderung, der sich jeder Bestatter stellen muss.
Voraussetzung dafür ist ein gutes Verständnis der Bedürfnisse der Kunden. Wer versteht, wie ein Produkt oder Service die Erfahrungen beim Abschied von einem Menschen ergänzt oder bereichert, gewinnt Kunden für sich. Wer sich in den (zukünftigen) Kunden hineinversetzt, viel fragt, gut zuhört und genau beobachtet, wird sensibel für die Stellschrauben, die das eigene Unternehmen zukunftssicher machen. Kundinnen und Kunden sind von anderen Dienstleistungen gewohnt, digitale Lösungen angeboten zu bekommen. Auch in der Bestattungsbranche werden digitale Angebote über die Zukunft entscheiden.