Mit einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung haben die FDP-Bundestagsfraktion und einzelne Abgeordnete im August 2018 den digitalen Nachlass erneut ins politische Gespräch gebracht. Angefragt wurden geplante Maßnahmen der Bundesregierung, um die Stellung von Erben gegenüber Onlineanbietern zu stärken. Für uns ist die digitale Nachlassabwicklung täglich Brot. Wir nehmen deshalb die kleine Anfrage genauer unter die Lupe.


Der Facebook-Fall bringt den digitalen Nachlass erneut in den Blick

Zur Erinnerung: Im Juli hat der Bundesgerichtshof in einem viel beachteten Urteile den Eltern eines verstorbenen Mädchens das Recht zugesprochen, Zugang zum dem Facebook-Profil ihrer Tochter zu erhalten. Hier geht es zum Artikel über das Facebook-Urteil In der Einleitung der kleinen Anfrage bezieht sich die FDP-Fraktion auf das BGH-Urteil, es habe „in einigen offenen Punkten Klarheit gebracht, weite Bereiche sind aber noch ungeklärt.”

Drei Fragebereiche werden abgeklopft:

  1. Sind rechtsverbindliche Regelungen erforderlich, die den Erben die notwenigen Auskunftsrechte und Zugriffsrechte für Onlineaccounts einräumen? Bisher sind die Betroffenen den individuellen und durchaus unterschiedlichen Vorgaben der Onlineunternehmen unterworfen.
  2. Wie weit ist eine generelle Digitalisierung des Nachlassverfahrens gediehen?
  3. Sollen Onlinedienste verpflichtet werden, bei Nutzung ihrer Dienste ein „digitales Testament“ anzubieten?

Inzwischen liegt die Antwort der Bundesregierung vor. Kurz zusammengefasst: Es bestehe über die Aufnahme des Themas digitaler Nachlass in die Beratungen zur E-Privacy-Verordnung hinaus aktuell keine Veranlassung, Gesetzesänderungen auf den Weg zu bringen. Die Bundesregierung stehe in Kontakt mit den Anbietern digitaler Dienstleistungen. Sie beobachte, welche Konsequenzen die Anbieter aus der Entscheidung (BGH-Urteil) ziehen.

PDF-Download:
Anfrage der FDP-Fraktion
/Antwort der Bundesregierung

Die Bundesregierung sieht keinen Handlungsbedarf - wir schon

Die Frage der Vererbbarkeit des digitalen Eigentums (zum Beispiel Nutzeraccounts, Datenbestände) im Erbrecht sei mit dem BGH-Urteil ausreichend geklärt. Digitale Inhalte ebenso wie sonstige Vermögensgegenstände und vertragliche Rechte und Pflichten des Erblassers gehen auf dem Wege der Universalsukzession auf den Erben über.

Die Bundesregierung will in die Rechtsbeziehungen zwischen privaten Anbietern und ihren Kunden nicht eingreifen. Beruhen sie doch auf privatrechtlichen Verträgen, für die grundsätzlich die Vertragsfreiheit gilt.

Ein früher Fall einer Klage in den USA zeigt die Schwierigkeit, die für Kunden von Onlineanbietern entstehen können. Bereits 2004 hat ein Vater Yahoo! auf Herausgabe der E-Mails seines als Soldat im Irak gestorbenen Sohnes verklagt. Yahoo! vertrat den Standpunkt, dass laut ihrer AGB ein Account nicht übertragbar sei. Ein US-amerikanisches Gericht verpflichtete Yahoo!, den Schriftverkehr auszuhändigen. Aus Yahoo! und AOL ist inzwischen die Marke Oath entstanden. Dort heißt es nun in den AGB: “Mit Ausnahme von AOL-Accounts gilt für sämtliche Oath-Accounts, dass sie nicht übertragbar sind und alle Rechte daran mit dem Tod des Accountinhabers enden.” (Oath, 3.a) Man müsste also für jeden einzelnen Dienst eine gerichtliche Auseinandersetzung auf sich nehmen.

Columbas Kommentar: Das BGH-Urteil hat geklärt, dass private Daten im Internet nach dem Tod des Nutzers grundsätzlich an seine Erben gehen. Regelungsbedarf sehen wir beim Recht auf Auskunft. Internetplattformen sollten verpflichtet werden, bereits den Erbberechtigten Auskunft über vorhandene Daten eines Verstorbenen zu geben, vor der Annahme oder Ablehnung eines Erbes. Aktuell verlangen manche Plattformen einen Erbschein, was die Annahme des Erbes voraussetzt.

Die Digitalisierung des gerichtlichen Nachlassverfahrens wird kommen

Im Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten (2013) besteht ab Januar 2022 eine Pflicht für Anwaltschaft und Notariate sowie Behörden, Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument an das Gericht zu übermitteln. Gerichtsakten sind spätestens ab 2026 auch in Nachlassverfahren verpflichtend elektronisch zu führen. Aus diesem Grund sieht die Bundesregierung keine Notwendigkeit, vor der flächendeckenden Digitalisierung der Justiz ein zusätzliches digitales Nachweisdokument einzuführen.

Columbas Kommentar: Schon jetzt übermitteln wir im Formalitätenportal Sterbeurkunde und wenn benötigt den Erbschein digital an die Vertragspartner des Verstorbenen. Das bedeutet für alle Seiten eine enorme Erleichterung der Arbeitsabläufe. Was noch aussteht ist die Möglichkeit, die Beurkundung eines Sterbefalls auf elektronischen Weg vorzunehmen. Das würde den Bestattungsunternehmen eine Menge Fahrerei und Warterei auf den Standesämtern ersparen.

Ein digitales Testament würde die Nachlassabwicklung erleichtern

Ein Punkt des Fragenkatalogs behandelt die Notwendigkeit eines digitalen Testaments. Darin könne festgelegt werden, dass im Todesfall bestimmte Daten ohne rechtliche Relevanz für die Erben gelöscht werden können.

Schon der BGH hat darauf hingewiesen, dass die Differenzierung zwischen relevanten und nicht relevanten Inhalten praktisch nicht möglich ist. Allerdings könne der Erblasser entscheiden, welche digitalen Inhalte mit seinem Tod erlöschen sollen. Hat er keine Regelung getroffen, entscheiden die Erben, wie sie mit den zum Nachlass gehörenden Daten umgehen.

Columbas Kommentar: Mit unserem neuen Vorsorgeplaner - exklusiv für Bestatter erhältlich ab Q1/19 - wird es auch möglich sein, bestimmte Accounts löschen und Verträge kündigen zu lassen, ohne dass die Erben von der Existenz dieser Vertragsbeziehungen erfahren. Das ermöglicht dem Erblasser bereits zu Lebzeiten zu steuern, welche Informationen die Erben erhalten.

Verbindliche Regelungen für den digitalen Nachlass sind noch nicht vom Tisch

Die kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion ist eine von insgesamt 3953 Anfragen innerhalb der 18. Wahlperiode des Bundestags. Damit der digitale Nachlass in der Fülle politischer Themen nicht untergeht, müssen alle rechtlichen Aspekte weiter diskutiert werden.

Bereits 2016 hat das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB) ein Themenkurzprofil zur digitalen Nachlassverwaltung erstellt. Dort wurde angeregt, dass “verbindliche Regelungen für Internetdienstleister definiert werden, wie im Sterbefall mit den jeweils dort hinterlegten Informationen und Daten umgegangen werden soll.” Es wird auf die Fürsorgepflicht des Gesetzgebers hingewiesen und Awarenesskampagnen angeregt. Aktuell folgt die Bundesregierung dieser Empfehlung nicht. Immerhin beobachtet sie aufmerksam die Entwicklungen bei digitalen Angeboten. Das ist doch schon mal was.