Wenn im Bestattungsgewerbe von Generationen gesprochen wird, dann meist als Werbeslogan “Unser Familienbetrieb wird in vierter Generation geführt”. Eine andere Sichtweise auf die junge Bestattergeneration bieten die Sozialwissenschaften. Hier ist von Generation Y oder Z die Rede. Junge Menschen einer Altersgruppe entwickeln aufgrund veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen Bedürfnisse, Werte und Lebenseinstellungen, die sich von früheren Generationen unterscheiden. Es lohnt sich Generationen einmal unter diesem Blickwinkel zu betrachten, denn es hat Auswirkungen auf das Finden neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Zusammenarbeit im Betrieb und die Zukunft von Bestattungsdienstleistungen.


Tradition im Fokus: “Familienbetrieb in vierter Generation"

Traditionell wird im Bestattungswesen der Generationenbegriff dafür verwendet, die Expertise und die Zuverlässigkeit des Unternehmens hervorzuheben. Auf Webseiten stehen Sätze wie “Seit 1912 Ihr zuverlässiger Partner bei Bestattungen”, “Unser Familienbetrieb wird in vierter Generation geführt” oder schlicht “Bestattungen seit 1894”. Der Betrieb wird innerhalb einer Familie von einer Generation auf die nächste übertragen. Generation meint hier, die Abfolge in einer Familie von Großeltern und Eltern, hin zu den Kindern. Gediegen und seriös wirken die Bilder. Die Farben sind gedeckt, im Logo befindet sich häufig ein Kreuz, also ein christliches Symbol für den Tod.

Die enge Verbindung von Kreuz und Bestattung hat einen historischen Ursprung. Über Jahrhunderte hinweg waren die Kirchen die ersten Ansprechpartner in Sachen Tod und Beerdigung, heute ist es der Bestatter. Er sorgt nicht mehr nur für Sarg und Transport des Leichnams, sondern steht für die gesamte Begleitung im Todesfall.

Konflikte unter den Generationen gab es in Familienunternehmen schon immer. Die neue Generation grenzt sich immer wieder bewusst oder unbewusst von der bestehenden ab. Eine Übergabe an die nächste Generation geht nur in seltenen Fällen ohne Reibereien über die Bühne. Die Nachfolgenden fragen auf neue Weise, welche Bedürfnisse die aktuellen Kunden haben. Sie verbessern Bestehendes, dennoch bleiben sie in der tradierten Ausrichtung des Unternehmens.

Vielerorts haben Bestattungshäuser sich in einer moderaten Öffnung bewusst von der Symbolik des Kreuzes gelöst. Blumen, Blätter, Schmetterlinge, Spiralen und abstrakte Formen drücken das veränderte Selbstverständnis aus. Was dagegen von außen als Bruch wahrgenommen werden könnte, wird vermieden. Obwohl der Name des Inhabers sich verändert, firmiert das Unternehmen weiter unter dem Namen des Gründers. Um auf das sich ändernde Marktumfeld zu reagieren, wird eher ein neues Unternehmen gegründet, das die neuen Trends wie Onlinevertrieb oder legeres Outfit aufgreift.

Junge Menschen im Fokus: Generation Y, Generation Z

Babyboomer, Generation Golf, Millennials und jetzt neu die Generation YouTube. Verschiedene Begriffe geistern durch die Medien. Im Kern geht es bei dieser Generationenbeschreibung darum, bestimmte Hauptmerkmale einer Altersgruppe zu benennen, um Verständnis für die verschiedenen Ansichten und Bedürfnisse zu wecken. Gesellschaftliche Rahmenbedingungen prägen eine Generation. So verändern sich über die Zeit soziale Orientierung, Umgangsformen, Lebensauffassung und -ziel und lassen sich verschiedenen Altersgruppen zuschreiben. Eine Abgrenzung strikt nach Geburtenjahrgängen ist nicht möglich. Dennoch lassen sich klare Unterschiede zwischen den Mittelwerten der verschiedenen Generationen feststellen. In den Sozialwissenschaften werden (mit geringen Varianzen) bisher fünf verschiedene Generationen unterschieden:

  • Die Traditionalisten (geboren zwischen 1922 und 1955)- Sie haben in ihrer Kindheit und Jugend den zweiten Weltkrieg oder die direkte Nachkriegszeit miterlebt.
  • Die Babyboomer (geboren zwischen 1955 und 1969) - Die erste Nachkriegsgeneration hat das Wirtschaftswunder erlebt. Zu ihr gehören die geburtenreichen Jahrgänge.
  • Die Generation X (geboren zwischen 1965 und 1980) - Wird auch Generation Golf genannt. Ihre Kindheit wurde durch die Wirtschaftskrise und eine aufkommende Scheidungsrate geprägt.
  • Die Generation Y (geboren zwischen 1980 und 2000) - Wird auch Gen Y oder Millennials genannt. Sie hat die Jahrtausendwende schon bewusst erlebt, den Internetboom und die Globalisierung. Sie zeichnet sich durch ein hohes Bildungsniveau aus.
  • Die Generation Z (geboren zwischen 1995 und 2010) - Wird auch Generation YouTube genannt. Sie kennen kein Leben ohne Internet. Die Digitalisierung des Alltags ist selbstverständlich.

Seit 2003 ist “Bestattungsfachkraft” ein staatlich anerkannter Ausbildungsberuf. Bei jungen Leuten liegt der Beruf im Trend. Er gilt als krisensicher und abwechslungsreich. Zwei Drittel der jungen Menschen, die die Ausbildung machen, sind nicht über einen Familienbetrieb mit dem Beruf in Berührung gekommen. Es leuchtet ein, dass sie ganz eigene Ideen einbringen. Sie hinterfragen Bestehendes. Sie benutzen in selbstverständlicher Weise ihr Smartphone und die sozialen Medien. Sie starten in einer Zeit in den Beruf , in denen vor allem in kleinen Betrieben qualifizierter Nachwuchs fehlt. Der Stellenwert, den sie der Arbeit in ihrem Leben zuweisen, fordert Unternehmen heraus, Arbeit und Arbeitszeiten attraktiv für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gestalten. Generation Y/Z kann es sich erlauben, anspruchsvoll zu sein.

Unternehmen, die bewusst Traditionen brechen

Neuerdings machen Unternehmen auf sich aufmerksam, die bewusst mit Traditionen brechen. Tradition, das sind für sie Unbeweglichkeit, verstaubte Ansichten und nicht mehr zeitgemäße Angebote. Vertreter dieser neuen Ansätze gehören der jungen Generation an. Zum einen scheuen sich digital aufgewachsene Jungunternehmer nicht, die Bestattungsbranche mit Vergleichsportalen und online vermittelten Bestattungen herauszufordern. Sie kommen nicht aus der Branche, sondern wenden die Geschäftsmodelle des digitalen Zeitalters auf die Bestattung an. Nicht kleinere Korrekturen am Image sind das Ziel, sondern eine neue Art die Dienstleistung zu denken und zu beauftragen.

Als Enfant terrible wirken die jungen Bestatterinnen und Bestatter, deren Särge bunt sind und die eher locker und leger daherkommen. Nicht, dass das ganz neu wäre. Seit den Hoch-Zeiten der Aidstoten Mitte der 90er-Jahre gibt es einzelne Protagonisten, die gegen geltende Regeln verstoßen und für etablierte Traditionsunternehmen zum “Bestatterschreck” wurden. Doch mit dem Einzug der sozialen Medien in unseren Alltag, werden sie von einer breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen. Nach und nach sickern deren Arbeitsweisen in die Dienstleistung ganz normaler Bestattungshäuser ein.

In vielen Unternehmen arbeiten mehrere Generationen zusammen

Wenn sich die Auffassung über das Verhältnis von Arbeit und Freizeit unterscheidet, sind Konflikte im Unternehmen vorprogrammiert. Junge Menschen wollen vom Arbeitgeber gesehen werden und sich als Mensch einbringen können. Ihnen ist ihre Freizeit wichtig und sie wollen mit modernen Techniken arbeiten. Ein sicherer Job, eine sinnvolle Tätigkeit und ausreichend Zeit für das restliche Leben, das sind die Eckpunkte. Sie formulieren das Verhältnis von Arbeitgeber und Angestelltem auf eine Weise, die den Babyboomern fremd ist: Sind wir als Menschen für die Unternehmen da? Oder könnte das Unternehmen für uns Menschen da sein? “Zuerst das Vergnügen, dann die Arbeit”, so hat das Wirtschaftsmagazin Brandeins die veränderte Arbeitsauffassung der jungen Leute einmal tituliert.

“Erst die Arbeit, dann das Vergnügen”, sagen diejenigen, die die Mittagspause ausfallen lassen und noch ein wenig länger im Geschäft bleiben. “Mein Sportprogramm lasse ich nicht ausfallen, ich schaue am Abend von zuhause aus noch mal online rein”, wäre eine alternative Herangehensweise. Wenn unterm Strich die Arbeitsleistung stimmt, was spricht dagegen? Bereitschaftsdienste, Arbeitszeiten und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie müssen neu verhandelt werden. Wobei die sozialwissenschaftlichen Studien der Generation Y und der Generation Z durchaus unterschiedliche Bedürfnisse bescheinigen. Die generalisierte Auffassung einer Generation ist sowieso problematisch als Grundlage für Regelungen im eigenen Betrieb. Wer talentierte junge Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten und von ihrem Ehrgeiz, den anderen Sichtweisen und digitalen Kompetenzen profitieren will, bringt die Generationen innerhalb des Unternehmens miteinander ins Gespräch.

Ein Sprichwort sagt: “Tradition ist nicht das Bewahren der Asche, sondern das Schüren der Flamme” (Jean Jaurés). Nicht die ehrwürdige Jahreszahl der Gründung des Bestattungshauses bürgt für die Qualität, sondern die Fähigkeit, Innovation als eine gelungene Verbindung von vorhandenem Knowhow mit den veränderten Anforderungen der digitalen Gegenwart und den Arbeitsweisen der jungen Generationen zu verstehen.